Montag, 20. Februar 2012

Kölle alaaf Teil 1: Messis Trikot und Breckos Führerschein

Das Rheinland, genauer gesagt der engeren Kreis um Köln herum, war schon immer ein besonderes Pflaster für Medien. Entsprechend sind der 1. FC Köln und Bayer Leverkusen auch nicht gerade jene Umgebung, die "ruhiges Arbeiten" einfacher machen. Beide Vereine haben neben den allgemeinen bundesdeutschen Medien auch noch zwei andere "Klatschweiber" an ihren Rockzipfeln, die sie auf Schirtt und Tritt beobachten und die lokale Medienwelt knüppelhart untereinander aufteilen: Express und der Kölner Stadt-Anzeiger.

Schaut man sich eine generische Titelseite des Express' an, so kann man sich sicher sein, dass sich eine sog. Schlagzeile zum Effzeh oder der Werkself an exponierter Stelle befindet. Und das zieht der Express 364 Tage im Jahr knallhart durch (der KSTA ist da nicht besser). Jetzt wird sich der geneigte Leser fragen, ob es denn 364 Tage im Jahr in einem der Vereine etwas gibt, dass es wert ist, auf die Titelseite zu kommen. Natürlich nicht. Aber das hält diese beiden Blätter eben nicht davon ab, trotzdem irgendetwas dorthin zu packen. Wer keine Nachrichten hat, erfindet eben welche.

So kommt es eben, dass eine völlige Lappalie wie der unten erwähnte Trikottausch zwischen Messi und Kadlec bzw. Friedrich aus dem Nichts zu einem angeblichen Skandal aufgebauscht wird.

 
Was war geschehen? Gehen wir davon aus, dass Rudi Völler eine integere Figur des deutschen Fußballgeschehens ist und in diesem Video die Wahrheit erzählt (das Video ist ein Auftritt im Sport1-Doppelpass vom 19.2.2012). dann ist Folgendes passiert: In der Halbzeit kam Leverkusens Kadlec auf Lionel Messi zu und wollte dessen Trikot haben. Leider kam ihm der Mannschaftskollege Manuel Friedrich zuvor und hatte sich das begehrte Trikot schon gesichert. Also verständigten Kadlec und Messi sich darauf, dass Kadlec nach dem Spiel Messis Trikot bekommen würde. Nach dieser Darstellung haben Kadlec und Friedrich also überhaupt nicht miteinander gesprochen geschweige denn gestritten.
Was ist also Verwerfliches passiert? Genau, gar nichts. Messis Trikot will ja nun wirklich jeder haben, da muss man vermutlich einfach der Erste sein, der fragt. Dieser Dialog fand im Kabinengang statt, also ist es nicht so, als hätte Kadlec dafür die Mannschaftsbesprechung sausen lassen oder Ähnliches. Und Messi hätte zur zweiten Hälfte ohnehin ein neues Trikot angezogen.

Das Ganze bekam nun aber Schärfe dadurch, dass Stefan Effenberg, ehemaliger Tiger und aktueller sky-Experte (auf auf dem besten Wege, seine Trainerkarriere zu ruinieren, bevor sie begonnen hat), dieses Vorgehen beobachtet hat und Live auf sky unter dramatisierender Ausmalung davon berichtet hat. Da der Auftritt der ersten Halbzeit von Leverkusen im Spiel gegen Barca offensiv nicht sehr überzeugend war, hatte man gleich wieder sein Bild vom egoistischen Fußballprofi, dem der Verein völlig egal ist und und der nur sein persönliches Wohl (hier: das Ergattern eines Messi Trikots) im Sinn hat. Es folgte ein Medienecho, dass der eigentlich völlig profanen Sache nicht gerecht wird. Man lese vor allem den Kommentar vom Express Online (unten in dem grauen Kasten). 

Jetzt kommt aber erst das Besondere: Nur einen Tag vorher hatte ein FC-Profi etwas viel Schlimmeres getan - er ist besoffen Auto gefahren. Nun war der Mann, Miso Brecko, so nett, niemanden tot zu fahren, sondern nur seinen eignen Wagen zu schrotten, also kann man wohl von einem Kavaliersdelikt ausgehen? Nein, natürlich nicht. Wer sich mit 1,7 Promille an das Steuer eines Autos setzt, riskiert sein eigenes Leben und nimmt unvorhersehbare Schäden oder Verletzungen an anderen billigend in Kauf. Dafür wurde Brecko auch vom Club mit einer Geldstrafe belegt und wird seinen Lappen wohl abgeben müssen, aber jener empörte Aufschrei, der nach der Messi-Trikot-Affäre durch die Medienwelt ging, fehlte bei Breckos Fauxpas. Zwar berichteten alle bekannten Medien und auch der Express - aber wo ist hier der Kommentar, der von unwürdigen Repräsentanten der Bundesliga schreibt? Ist es wirklich sozial verträglicher, betrunken Auto zu fahren als das Trikot mit Messi tauschen zu wollen? Hier haben die klaren Worte sowohl in der Presse als auch von FC-Verantwortlichen gefehlt. Trainer Stale Solbakken nannte Breckos Verhalten zwar "scheiße" und Finke legte ihm eine Geldstrafe auf, aber dennoch durfte Brecko am Samstag bei 1:2 gegen Nürnberg von Beginn an ran. Mehr noch: Solbakken baute extra für Brecko seine Abwehrreihe um, zog Henrique Sereno auf links und setzte dafür den untadeligen Eichner auf die Bank. Quizfrage: Wem wurde hier ein Denkzettel erteilt? Interessant wäre es, herauszufinden, wer eigentlich die höhere Strafe zahlen musste: Brecko für betrunkenes Auto fahren oder Podolski für Kritik am Club?

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich gehöre nicht zu den Menschen, die von Profis verlangen, dass sie völlig keusch leben und an diese andere Wertemaßstäbe anlege, als an den Rest der Gesellschaft. ich finde es auch völlig legitim, wenn ein Profi genauso feiern geht wie ein Bankangestellter oder ein Pizzabäcker, das ist alles geschenkt. Aber gerade und speziell von Leuten, deren Gehalt zehn Mal so hoch wie das des Pizzabäckers ist, erwarte ich, dass sie nach dem Feiern 3 Euro in die Straßenbahn oder 30 Euro ins Taxi investieren (das erwarte ich vom Pizzabäcker übrigens ebenso). Zur Not muss man halt zu Fuß gehen oder einen Mannschaftskameraden um eine Mitfahrgelegenheit bitten. Hier hört der Spaß für mich auf und ich kann darin kein Kavaliersdelikt sehen. Hoffentlich sieht Flensburg das genauso, wenn über Breckos Führerschein verhandelt wird.

Kleine Notiz am Rande: Während Brecko gegen Nürnberg ein unterirdisches Spiel ablieferte (kicker-Note 5), verlor Bayer Leverkusen ebenfalls gegen Barcelona, und zwar mit 1:3. Torschüttze für Leverkusen? Michael Kadlec. Unnötig zu sagen, dass das nirgendwo erwähnt wurde im Express-Kommentar.


sic semper kamelis.

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